Labordiagnosik bei arterieller Hypertonie

Weltweit leiden ca. 24 % der Männer und 20 % der Frauen an einer arteriellen Hypertonie. Ein erhöhter Blutdruck ist unter den wichtigsten kardiovaskulären Risikofaktoren. Pro Jahr sterben zehn Millionen Menschen an der arteriellen Hypertonie. Andererseits wäre eine angemessene Therapie sehr effektiv, da eine Absenkung des systolischen Blutdruckes um 10 mm Hg die Sterblichkeit signifikant um 13% reduziert.

Die aktuellen Richtlinien zur Therapie der arteriellen Hypertonie empfehlen als grundsätzliches Therapieziel für alle Patienten einen Blutdruck niedriger als 140/90 mm Hg mit Anstreben eines optimalen Blutdruckes von 130/80 mm Hg. Vor allem die Kombination von antihypertensiven Medikamenten, auch schon für die meisten Patienten zu Therapiebeginn, wird deutlicher als früher empfohlen. Die Labordiagnostik ist ein zentraler Bestandteil in der Diagnostik und Therapiesteuerung bei Patienten mit arterieller Hypertonie. Internationale Richtlinien empfehlen einerseits ein Basislabor, welches bei allen Patienten bestimmt werden sollte, sowie eine gezielte Labordiagnostik auf sekundäre endokrine Hypertonie bei Patienten mit entsprechenden Risikofaktoren.

Basislabor bei arterieller Hypertonie

Bei allen Patienten mit arterieller Hypertonie sollte ein Basislabor (Tabelle 1) bestimmt werden, welches vor allem dazu dient, das kardiovaskuläre Risiko abzuschätzen, hypertoniebedingte Endorganschäden zu detektieren und sonstige Komorbiditäten zu erfassen, die für die weitere Therapieplanung von Relevanz sind.

Basislabor (adaptiert von Referenz 1 bis 3)

  • Nüchternblutzucker und HbA1c

  • Lipide: Gesamtcholesterin, LDL-Cholesterin, HDL-Cholesterin, Triglyzeride

  • Blutbild

  • Serumelektrolyte: Natrium, Kalium und Kalzium

  • Serumkreatinin und berechnete glomeruläre Filtrationsrate (GFR)

  • Harnanalyse: Protein, Glukose und Albumin-Kreatinin-Ratio

  • Leberfunktionsparameter

  • TSH

  • Harnsäure

 

In Europa wird zur Abschätzung des 10-Jahres-Risikos für tödliche kardiovaskuläre Ereignisse vor allem das SCORESystem (Systematic Coronary Risk Evaluation) empfohlen, welches man frei online nutzen kann. Interessant für den Kliniker ist auch, dass man z. B. mit dem „HeartScore“ das kardiovaskuläre Risikoalter eines Patienten berechnen kann. Die Erfassung des kardiovaskulären Risikos und der Endorganschäden (wie z. B. Nierenschäden bzw. Albuminurie) ist wichtig, da die Intensität der Therapie bzw. die empfohlenen Zielblutdruckwerte und die Wahl der antihypertensiven Substanzklassen davon beeinflusst werden können. Neben der Erfassung klassischer kardiovaskulärer Risikofaktoren wie z. B. Nüchternglukose und HbA1c, Lipidstatus und Kreatinins/glomerulärer Filtrationsrate (GFR) wird vermehrt auch die Bestimmung der Harnsäure empfohlen, da diese mittlerweile auch ein anerkannter Risikomarker für Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist. Andere Laborparameter wie das Blutbild oder Leberfunktionsparameter dienen eher der Erfassung genereller Komorbiditäten und als Ausgangslaborparameter, um eventuelle therapieassoziierte Nebenwirkungen zu detektieren.

Elektrolytwerte können einerseits erste Hinweise auf sekundäre Hypertonieformen geben (z. B. Hypokaliämie bei primärem Hyperaldosteronismus [PHA]), sind aber andererseits in Kombination mit der GFR auch wichtig zur Erfassung eventueller Kontraindikationen oder Nebenwirkungen bei z. B. Diuretika oder das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) interferierenden Medikamenten. Eine valide, auf unserer eigenen Forschung beruhende und besonders anwenderfreundliche Ergänzung für die Risikoabschätzung ist der Coropredict®-Score, der das kardiovaskuläre Risiko anhand der Konzentrationen moderner Biomarker mit prognostischer Bedeutung bestimmen kann. Wie der „Heart-Score“ wird dabei das 10-Jahres-Risiko für letale kardiovaskuläre Ereignisse ermittelt.

Sekundäre endokrine Hypertonie: 5 bis 15 % der Hypertoniker

Unter einer sekundären Hypertonie versteht man eine Hypertonieform
mit einer spezifischen pathophysiologischen Ursache, die man in der Regel kausal therapieren kann.

Die endokrine Hypertonie ist die häufigste sekundäre Hypertonieform und findet sich bei ca. 5 bis 15 % der Patienten mit arterieller Hypertonie. Eine frühzeitige Diagnosestellung und Therapie von sekundären endokrinen Hypertonieformen ist wichtig, da sie zu einer partiellen oder vollständigen Heilung der arteriellen Hypertonie führen kann. Der primäre Hyperaldosteronismus (PHA) ist die mit Abstand häufigste Ursache einer endokrinen Hypertonie und kommt bei ca. 5 bis 10 % aller Hypertoniepatienten vor. Neben dem PHA weist auch das Phäochromozytom bzw. Paragangliom einen erhöhten Blutdruck als Leitsymptom auf. Bei den meisten anderen endokrinen Hypertonieformen ist, abgesehen von seltenen genetischen Formen, der erhöhte Blutdruck oft nur ein fakultatives Begleitsymptom einer klinisch manifesten Erkrankung wie z. B. des Cushing-Syndroms. Ein generelles Screening auf endokrine Hypertonieformen bei allen Patienten mit arterieller Hypertonie wird nicht empfohlen, sondern es sollte je nach Anamnese, Klinik und Laborbefunden eine gezielte Diagnostik erfolgen.

 

Die Parameter der Coropredict-Tests

HbA1cDiagnose von Diabetes mellitus, wichtiger
prognosticher Faktor
CotininAbbauprodukt von Nikotin
NT-proBNPBeurteilung der kardiovaskulären
Homoeostase, Herzinsuffizienz
Troponin IGeringste Mykardschädigung/Zellzerfall
Galektin 3Myokardstrukturveränderungen, kardiales
„Remodelling“, fibrotischer Umbau
C-reaktives ProteinAkute und chronische Entzündungsprozesse
Cystatin CModerner Parameter für die Nierenfunktion,
dient der Berechnung der glomerulären
Filtrationsrate (GFR).
25-Hydroxy-Vitamin-DKardioprotektive Eigenschaften
Glukose (nüchtern)Energielieferant, Diagnose von Diabetes mellitus,
Begünstigung von Gefäßerkrankungen
LDL-CholesterinHauptursache von Herz- und
Gefäßerkrankungen
HDL-Cholesterinniedriges HDL-Cholesterin zeigt ein hohes
kardiovaskuläres Risiko an
TriglyzerideEnergielieferant, Begünstigung von
Gefäßerkrankungen
Lipoprotein (a)Transportiert Cholesterin, ist den LDL biochemisch
ähnlich, aber ein epidemiologisch
unabhängiger Risikofaktor für KHK

 

Primärer Hyperaldosteronismus (PHA)

Der PHA (klassischerweise auch bekannt als Conn-Syndrom) ist definiert als „eine Gruppe von Erkrankungen, bei denen die Aldosteron-Sekretion unangemessen zu hoch in Bezug auf den Salzstatus (Natriumstatus), relativ autonom von wichtigen Regulatoren der Aldosteron-Sekretion (Angiotensin II und Kalium) und nicht supprimierbar durch Salzbelastung ist“.

Die klinische Bedeutung des PHA liegt darin begründet, dass Patienten mit PHA im Vergleich zu primärer/essenzieller arterieller Hypertonie selbst bei gleichen Blutdruckwerten ein massiv erhöhtes kardiovaskuläres Risiko haben. Dies wird u. a. durch verschiedene blutdruckunabhängige, z. B. proinflammatorische und prothrombotische Effekte von Aldosteron bewirkt. Klassischerweise bewirkt Aldosteron jedoch eine verminderte renale Natriumausscheidung und erhöhte Kaliumausscheidung, weswegen Patienten mit PHA häufig, aber nicht zwingenderweise, eine Hypokaliämie aufweisen. Da es beim PHA durch diverse Aldosteron-Effekte (Natriumretention, RR-Anstieg etc.) zu einer Supprimierung des Renins kommt, resultiert daraus eine Erhöhung des Aldosteron-Renin-Quotienten
(= Aldosteron-Renin-Ratio [ARR]), der somit auch als Screeningtest für diese Erkrankung empfohlen wird. Gemäß den aktuellen Richtlinien wird bei den aufgelisteten Konstellationen ein Screening auf einen PHA mittels Bestimmung der ARR empfohlen, womit auch eine ARR-Bestimmung bei etwa jedem zweiten Bluthochdruckpatienten indiziert ist.

Es gibt zahlreiche Faktoren, die neben der Labormethodik einen Einfluss auf die ARR haben, wobei die aktuellen Richtlinien jedoch empfehlen, dass in vielen Fällen die ARR trotz fortgeführter Medikamenteneinnahme (z. B. ACE-Hemmer oder Betablocker) oder anderer suboptimaler Bedingungen der Testung sinnvoll interpretiert werden kann.

In der Laboranalytik kann bei der Renin-Bestimmung entweder die Konzentration des Renins gemessen werden oder aber, was aufwendiger ist, die enzymatische Aktivität von Renin, welches als Protease das Angiotensinogen in das Angiotensin I umsetzt. Bedauerlicherweise gibt es nach wie vor unterschiedliche Cut-off-Werte für eine pathologische ARR. Zusätzlich zur erhöhten ARR wird für einen positiven Screeningtest teilweise auch gefordert, dass das Aldosteron im Plasma einen bestimmten Grenzwert überschreitet, wobei diesbez. in der Literatur Werte von 6 bis 15 ng/dl angegeben werden. Jedes Zentrum/Labor ist somit gefordert, einen lokalen Cut-off-Wert im Hinblick auf die jeweilige Laboranalytik zu etablieren.


 

Indikationen zur Abklärung eines primären Hyperaldosteronismus

  • Blutdruck über 150/100 mm Hg bei drei Messungen an unterschiedlichen Tagen
  • Resistenter arterieller Hypertonus: d.h. Blutdruck über 140/90 mm Hg trotz Therapie mit drei antihypertensiven Medikamenten (inklusive eines Diuretikums)
  • Kontrollierter arterieller Hypertonus (Blutdruck < 140/90 mm Hg) mit jedoch vier oder mehr antihypertensiven Medikamenten
  • Arterieller Hypertonus mit spontaner oder Diuretika-induzierter Hypokaliämie
  • Arterieller Hypertonus bei Nebennieren-Inzidentalom
  • Arterieller Hypertonus bei Schlaf-Apnoe-Syndrom
  • Arterieller Hypertonus und Familienanamnese eines in jungen Jahren (< 40 Jahre) aufgetretenen arteriellen Hypertonus oder cerebrovaskulären Ereignisses
  • Alle hypertensiven erstgradig Verwandten eines Angehörigen mit primärem Hyperaldosteronismus


Aldosteron zu Renin Ratio (ARR) „cut-off“-Werte gemäß der Richtlinie der Endocrine Society

 Renin-
Konzentration (mU/L)
Renin-
Konzentration (ng/L)
Renin-
Aktivität (ng/ml/h)
Renin-
Aktivität (pmol/L/min)
Aldosteron (ng/dL)2,4
3,7
4,9
3,8
5,7
7,7
20
20
40
1,6
2,5
3,1
Aldosteron (pmol/L)91
122
144
192
750
1000
60
80

Die Cut-off-Werte sind u.a. von der verwendeten Labormethode abhängig.

 

Allein durch eine pathologisch erhöhte ARR kann jedoch meistens noch nicht die Diagnose eines PHA gestellt werden, außer bei einer eindeutigen Laborkonstellation, d. h. bei spontaner Hypokaliämie mit Plasma-Aldosteron > 20 ng/dL und supprimiertem Renin (unter dem Detektionslimit
des Assays). Bei pathologisch erhöhter ARR sollte ansonsten ein Bestätigungstest (z. B. i.v. Kochsalzbelastungstest mit Infusion von zwei Litern physiologischer Kochsalzlösung über vier Stunden und dann eine Plasma-Aldosteronbestimmung) durchgeführt werden, wobei dies
sowie auch die weitere Abklärung an einem Zentrum mit entsprechender Expertise durchgeführt werden sollte. Bei positivem Bestätigungstest und somit biochemisch verifiziertem PHA wird zur Subtypenklassifizierung, vor allem zur Differenzierung des Aldosteron produzierenden Adenoms von der bilateralen adrenalen Hyperplasie sowie zur Diagnostik eines extrem seltenen Aldosteron sezernierenden Karzinoms, eine radiologische Bildgebung (in erster Linie CT) empfohlen, ggf. mit anschließendem adrenalem Venensampling. Bzgl. Subtypenklassifizierung zeigte eine rezente randomisierte Studie jedoch keinen relevanten Unterschied im Outcome bei PHA-Patienten, die entweder gemäß dem Ergebnis des adrenalen Venensamplings oder gemäß dem CT-Befund (OP-Indikation bei einseitiger adrenaler Raumforderung von ≥ 7 mm) therapiert wurden. 

In der Therapie des PHA wird bei beidseitiger adrenaler Erkrankung eine Mineralokortikoid-Rezeptor-(MR-)Blocker-Therapie empfohlen. Dies wird auch PHA-Patienten empfohlen, die unwillig oder untauglich für eine Operation sind, bzw. auch Patienten mit erhöhter ARR, die eine weitere
Abklärung ablehnen. Als MR-Blocker wird primär Spironolacton empfohlen in einer Startdosis von 12,5 bis 25 mg einmal täglich. Je nach klinischem Ansprechen kann diese Dosis schrittweise auf bis zu maximal 100 mg pro Tag angehoben werden. Spironolakton kann zu Nebenwirkungen führen wie z. B. Gynäkomastie, reduzierter Libido oder Zyklusunregelmäßigkeiten (cave: Spironolakton ist in der Schwangerschaft kontraindiziert), wobei die Nebenwirkungen dosisabhängig sind. Da natürlich auch Hyperkaliämien
und ein akutes Nierenversagen als Nebenwirkungen bei der MR-Blocker-Therapie auftreten können, sollten regelmäßig Kontrollen der Elektrolyte und des Kreatinins z. B. innerhalb von einer Woche (bzw. besser
noch innerhalb von drei Tagen) und von vier Wochen nach Therapieeinleitung erfolgen. Eine Alternative zu Spironolakton ist Eplerenon, welches ein günstigeres Nebenwirkungsprofil hat und v.a. beim Auftreten einer Gynäkomastie unter Spironolakton mit einer Startdosis von 25 mg täglich verschrieben werden kann.

Bezüglich der MR-Blocker-Therapie hat sich bei resistentem arteriellen Hypertonus gezeigt, dass die blutdrucksenkende Wirkung von Spironolakton auch bei Patienten ohne PHA mit der ARR direkt korrelierte und anderen antihypertensiven Medikamenten überlegen war, weswegen MR-Blocker bei resistentem arteriellen Hypertonus als viertes Antihypertensivum verwendet werden sollten. Bei einseitigem PHA (meistens Aldosteron produzierendes Adenom) wird eine unilaterale Adrenalektomie empfohlen, wobei unbedingt schon präoperativ eine MR-Blocker-Therapie begonnen werden sollte. In der PASO-Studie hatten nach der Adrenalektomie 37 % einen kompletten klinischen Therapieerfolg (= normotensiv ohne antihypertensive Medikamente) und 94 % einen kompletten biochemischen Therapieerfolg. Vor allem Frauen und jüngere Patienten hatten sehr häufig einen kompletten klinischen Therapieerfolg.

Die Herausforderung der Zukunft besteht darin, die hohe Zahl an undiagnostizierten und somit in der Regel untherapierten Patienten mit PHA zu reduzieren (siehe Youtube-Video zum PHA ).

Phäochromozytom/Paragangliom

Phäochromozytome sind Tumore von chromaffinen Zellen des Nebennierenmarks, während Paragangliome von extraadrenalen chromaffinen Zellen abstammen, wobei wir im Folgenden nur den Begriff Phäochromozytom benutzen. Das Phäochromozytom ist eine sehr seltene Erkrankung mit einer Prävalenzrate von ca. 0,2 bis 0,6 % bei arterieller Hypertonie.

Die klinische Symptomatik kann sehr heterogen sein, wobei die klassische klinische Trias aus Kopfschmerzen, Schwitzen und Palpitation nur bei ca. 10 % der Patienten zu beobachten ist (siehe Tabelle 5 für die Symptome bei Phäochromozytom). Phäochromozytome werden häufig zu Lebzeiten nicht diagnostiziert, obwohl sie unbehandelt in der Regel tödlich verlaufen. Eine Abklärung auf Phäochromozytom wird bei jedem Patienten mit verdächtiger Klinik, v. a. bei paroxysmal auftretenden Symptomen,
empfohlen, bei jedem Nebenniereninzidentalom, bei hereditärer Prädisposition für ein Phäochromozytom (z. B. Von-Hippel-Lindau-Syndrom) sowie bei medikamentös induzierten Blutdruckentgleisungen (z. B. bei Narkose). Die Schwelle zur diagnostischen Abklärung sollte, v. a. aufgrund des fatalen unbehandelten Verlaufes der Erkrankung, niedrig sein.

Bezüglich der Phäochromozytomabklärung können entweder die fraktionierten Metanephrine (d. h. getrennte Bestimmung von Metanephrin und Normetanephrin) im Plasma oder im 24-Stunden-Sammelharn verwendet werden. Die Bestimmung im Plasma oder im Harn wird als gleichwertig angesehen. Metanephrine und Normetanephrine sind Stoffwechselmetabolite von Adrenalin und Noradrenalin und sind in ihrer Konzentration nicht so stark schwankend wie Adrenalin und Noradrenalin. Für die Bestimmung der Plasma-Metanephrine und/oder Normetanephrine wäre es optimal, wenn die Blutabnahme nach zumindest 30-minütigem Liegen erfolgt. Da im Sitzen die Metanephrin/Normetanephrin-Werte im Plasma grundsätzlich höher sind als im Liegen, kann bei negativen Metanephrinen/Normetanephrinen im Sitzen ein Phäochromozytom ausgeschlossen werden. Im Falle erhöhter Plasma-Metanephrine/Normetanephrine nach Blutabnahme bei einem sitzenden Patienten sollte eine Testwiederholung nach zumindest 30 Minuten im Liegen erfolgen, um falsch positive Ergebnisse zu vermindern.

Falsch positive Testergebnisse können auch durch Stress sowie durch Medikamente bedingt sein (trizyklische Antidepressiva, selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Inhibitoren [SSRI], selektive Noradrenalin-Wiederaufnahme-Inhibitoren [SNRI], Monoaminoxidase-Inhibitoren etc.). Die fraktionierten Metanephrine sind sehr sensitiv (d. h. ein negatives Testergebnis bedeutet mit hoher Sicherheit einen Ausschluss der Erkrankung), aber leider nicht sehr spezifisch mit häufig falsch positiven (leicht) erhöhten Werten. Ein häufig praktiziertes Vorgehen ist es, im Falle leicht erhöhter Werte (weniger als 3-fach über dem oberen Grenzbereich)
eine Testwiederholung unter optimalen Bedingungen durchzuführen (z. B. im Liegen und ohne vorausgehendes Rauchen; evtl. optimierte Medikation). Sind dann die Metanephrine und Normetanephrine im Normbereich, kann ein Phäochromozytom ausgeschlossen werden. Bei noch immer (leicht) erhöhten Plasma-Metanephrinen/Normetanephrinen sollte ein Clonidinhemmtest beim Spezialisten durchgeführt werden (alternativ empfehlen manche Autoren auch eine Kombination von Chromogranin A und 24-Stunden-Harn-Metanephrinen). Wenn jedoch schon bei einer einzigen Bestimmung (selbst unter suboptimalen Bedingungen) die Metanephrine und/oder Normetanephrine 3-fach oder mehr über dem oberen Grenzbereich liegen, kann man die biochemische Diagnose eines Phäochromozytoms stellen und als nächsten Schritt eine bildgebende Diagnostik mittels z. B. Nebennieren-CT durchführen. Bei sehr großen (z. B. über 5 cm großen) oder bilateralen Phäochromozytomen sollte zusätzlich zur initialen Bildgebung eine 123Jod-MIBG-Szintigraphie (Metaiodbenzylguanidin-Szintigraphie) durchgeführt werden, um eine eventuelle Metastasierung abzuklären. Bei bereits radiologisch vorbekannten Metastasen wird initial eine 18F-FDG-PET/CT empfohlen. Malignität ist beim Phäochromozytom übrigens durch eine vorhandene Metastasierung definiert (ca. 10 bis 17 % aller Phäochromozytome sind
maligne).

Bei Diagnosestellung eines Phäochromozytoms sollte immer eine genetische Testung angeraten werden, da ca. jeder dritte Patient eine genetische Prädisposition für ein Phäochromozytom aufweist (multiple endokrine Neoplasie Typ 2, Neurofibromatose Typ 1, Von-Hippel-Lindau-Syndrom etc). Ein nicht metastasiertes Phäochromozytom wird meistens durch eine komplette Adrenalektomie therapiert. Präoperativ wird eine zumindest 7- bis 14-tägige Therapie mit einem Alphablocker empfohlen, d.h. Phenoxybenzamin (Dibenzyran®) mit einer üblichen Startdosis von 10 mg 1-0-1 tgl. (alternativ z. B. Doxazosin [Supressin®], beginnend mit 2 mg/Tag) und dann schrittweiser Steigerung der Dosis (cave: auf orthosthatische Dysregulation achten). Eine Betablocker-Therapie sollte erst nach ausreichender Alphablocker-Therapie eingeleitet werden. Ca. zwei bis vier Wochen nach der Adrenalektomie sollte eine Follow-up-Untersuchung erfolgen, um die erfolgreiche Resektion des Phäochromozytoms auch biochemisch zu verifizieren (z. B. Bestimmung der fraktionierten Plasma-Metanephrine).

 

Klinik bei Phäochromozytom

  • Arterielle Hypertonie 80 bis 90 %
    - davon permanent 50 bis 60 %
    - davon intermittierend (paroxysmal) 30 %
  • Kopfschmerzen 60 bis 90 %
  • Schwitzen 55 bis 75 %
  • Palpitationen 50 bis 70 %
  • Blässe 40 bis 45 %
  • Hyperglykämie 40 %
  • Müdigkeit 25 bis 40 %
  • Übelkeit 20 bis 40 %
  • Gewichtsverlust 20 bis 40 %
  • Angst, Panik 20 bis 40 %
  • Orthostatische Hypotonie 10 bis 50 %
  • Flush 10 bis 20 %

Andere sekundäre Hypertonieformen

Bei diversen anderen sekundären endokrinen Hypertonieformen wie z. B. Cushing-Syndrom oder Akromegalie ist die arterielle Hypertonie nicht das Leitsymptom.

Bei manchen sekundären endokrinen Hypertonieformen wie dem primären Hyperparathyreoidismus ist der Zusammenhang mit arterieller Hypertonie und erhöhtem kardiovaskulärem Risiko noch nicht vollständig geklärt. Dennoch möchten wir darauf hinweisen, dass ein primärer Hyperparathyreoidismus (Prävalenz fast 1 %) typischerweise charakterisiert ist durch eine Hyperkalzämie mit erhöhtem oder unangemessen zu hohem Parathormon (PTH), was meistens auf eines oder mehrere Nebenschilddrüsenadenome zurückzuführen ist. Diese Erkrankung kann u.a. zu Urolithiasis, eingeschränkter Nierenfunktion und Osteoporose führen. Für den Kliniker ist es wichtig zu wissen, dass bei erhöhten Serumkalziumwerten eine Bestimmung des PTH erfolgen sollte. Bei biochemischem Nachweis eines primären Hyperparathyreoidismus (Kalzium und PTH hoch) erfolgt dann eine Sonographie. Therapiert wird ein primärer Hyperparathyreoidismus durch eine Nebenschilddrüsenoperation.
Schilddrüsenhormone haben auch weitreichende Effekte auf das Herz-Kreislauf-System, wobei sowohl eine Hypothyreose als auch eine Hyperthyreose zu erhöhten Blutdruckwerten führen können. Eine Hyperthyreose ist neben allgemeinen Symptomen wie z. B. vermehrtem Schwitzen, Tremor und Tachykardie v. a. durch einen erhöhten systolischen Blutdruck charakterisiert, wohingegen bei der Hypothyreose neben einer langsameren Herzfrequenz eher eine diastolische Hypertonie vorliegt. Eine laborchemische Bestimmung von TSH und Thyroxin (fT4) sollte bei klinischem Verdacht auf eine Schilddrüsenfunktionsstörung erfolgen. Manche Richtlinien empfehlen ohnehin eine TSH- Bestimmung als Basislabor bei arterieller Hypertonie. Bei einer subklinischen Hypothyreose mit erhöhtem TSH und im Normbereich liegendem Thyroxin (fT4) zeigte sich in einer rezenten Metaanalyse ein blutdrucksenkender Effekt einer LT4-Therapie von –4,80 mm Hg (95 % CI: –6,50 bis –3,09, p < 0,001) auf den systolischen RR und –2,74 mm Hg (95 % CI: –4,06 bis –1,43, p < 0,001) auf den diastolischen RR.

Fazit: zuerst Labor, dann Bildgebung

Die Labordiagnostik spielt bei arterieller Hypertonie vor allem für die Charakterisierung des kardiovaskulären Risikos, bei der Indikationsstellung
sowie dem Therapiemonitoring der antihypertensiven Medikamente 
und zur Detektion sekundärer endokriner Hypertonieformen eine wichtige
Rolle. Die korrekte Diagnosestellung sekundärer endokriner Hypertonieformen ermöglicht in vielen Fällen eine kausale Therapie, welche zu einer deutlich reduzierten Morbidität und Mortalität führt.

Der Kliniker sollte sich v.a. bewusst sein, dass der PHA die häufigste endokrine Hypertonieform ist und aktuell massiv unterdiagnostiziert und
somit untertherapiert ist. In diesem Zusammenhang ist aber auch die wichtige Rolle der MR-Blocker-Therapie bei einem resistenten arteriellen
Hypertonus zu betonen. Viele der anderen endokrinen Hypertonieformen
sind zwar sehr selten, sollten aber bei entsprechendem klinischen
Verdacht einer endokrinologischen Diagnostik zugeführt werden.

Bei manchen dieser Erkrankungen, wie z. B. beim Phäochromozytom,
sollte die Schwelle zur Diagnostik eher niedrig sein. Manche Routinelaborbefunde, wie z. B. ein erhöhtes Serumkalzium, sollten auch zu einer weiteren endokrinologischen Diagnostik führen, bei der meistens das
klassische Prinzip „Zuerst Labordiagnostik und dann eine Bildgebung“
Gültigkeit hat. Jedenfalls hat die Umsetzung einer konsequenten, richtig
eingesetzten Abklärung endokriner Hypertonieformen das Potenzial, die Prognose der Patienten mit arterieller Hypertonie deutlich zu verbessern.

Ihr Ansprechpartner

Univ. Prof. Dr. med. Winfried März

Facharzt für Laboratoriumsmedizin

E-Mail schreiben Jetzt anrufen