Impfschutz in der Schwangerschaft

Eine Infektion mit Masern, Mumps, Röteln, Pertussis oder Windpocken kann zu Komplikationen in der Schwangerschaft führen. Da diese Infektionen als impfpräventable Erkrankungen gelten, erfordern sie eine besondere Aufmerksamkeit.

Für alle fünf Krankheiten stehen sichere Impfungen zur Verfügung, die bereits vor Eintritt einer Schwangerschaft jeder Frau angeboten werden sollten.

Auswirkungen einer Infektion für Mutter und Kind

Die Folgen einer Infektion im Verlauf einer Schwangerschaft für Mutter und Kind sind vielgestaltig und hängen bei den jeweiligen Erkrankungen auch immer davon ab, in welcher Phase der Schwangerschaft die Infektion stattfindet.

Im Einzelnen führen wir hier noch einmal die wichtigsten Charakteristika der Erkrankungen auf:

 

Masern

  • Keine asymptomatischen Verläufe
  • Hohes Fieber, Husten, Schnupfen, Konjunktivitis, makulopapulöses Exanthem, Koplik’sche Flecken
  • Komplikationen: bakterielle Superinfektionen mit Otitis media und Pneumonie, Enzephalitis, SSPE (subakut sklerosierende Panenzephalitis)
  • Sehr selten pränatale Übertragung auf den Fetus/Embryo, keine Embryo-/Fetopathie


Mumps

  • Bis zu 40 % asymptomatische Verläufe
  • Parotitis, Fieber, teilweise nur akute respiratorische Erkrankung
  • Komplikationen: Innenohrtaubheit, Pankreatitis, Meningitis, Enzephalitis, Orchitis mit Sterilität, Mastitis, Oophoritis
  • Einzelfallberichte einer prä-/perinatalen Infektion, keine Embryo-/Fetopathie
  • Insgesamt eher geringes Gefährdungspotential für die Gesundheit von Mutter und Kind


Röteln

  • Bis zu 50 % asymptomatische Verläufe
  • Makulopapulöses Exanthem, leichtes Fieber, Kopfschmerzen, Katarrh, Konjunktivitis, okzipitale/retroaurikuläre Lymphadenopathie, Arthritiden
  • Hohes Gefährdungspotential einer Feto-/Embryopathie bei Primärinfektion in der Schwangerschaft (bis 11 SSW 90 %)
  • konnatales Rötelnsyndrom bei Infektionen in der Frühschwangerschaft im Abort, Totgeburt, Gregg-Syndrom (kardiale Fehlbildungen, okuläre Schädigungen, Innenohrdefekte)
  • bei Infektionen in der Spätschwangerschaft (nach 18 SSW) deutliche Abnahme der embryonalen Schädigung
  • bei perinataler Infektion meist harmlose, neonatale Röteln


Pertussis

  • Keine asymptomatischen Verläufe
  • Prodromalstadium 1 - 2 Wochen mit Husten, Schnupfen, leichtes Fieber
  • Hustenstadium (4 - 6 Wochen) mit anfallsweise auftretenden heftigen Hustenstößen, kein Fieber
  • Abklingstadium (6 - 10 Wochen) mit langsam abklingenden Hustenanfällen, bei Jugendlichen und Erwachsenen oftmals lang andauernder Husten ohne typische Hustenattacken
  • Keine pränatale Übertragung auf den Fetus/Embryo, keine Embryo-/Fetopathie
  • Säuglinge haben ein hohes Risiko schwerwiegender Komplikationen: Pneumonie durch Suprainfektionen, Otitiden
  • Vorzeitige Wehen/Frühgeburtlichkeit durch Hustenanfälle


Windpocken

  • Sehr selten asymptomatische Verläufe
  • Generalisiertes Ex- und Enanthem, Fieber
  • Komplikationen: Varizellenpneumonie, Meningo-/Enzephalitis
  • Reaktivierung: Dermatom-abhängiges Exanthem, Schmerzen, Sensibilitätsstörungen
  • Selten pränatale Infektionen (1 - 2 %): fetales/kongenitales Varizellensyndrom
  • häufig perinatale Infektionen (bei 20 - 50 %): schwere generalisiert verlaufende Varizellen

Indikation und Zielgruppen der Impfung

Nachfolgend stellen wir die von der STIKO aufgeführten Zielgruppen für die jeweilige Imfpung auf.

ImpfungZielgruppe
Masern
  • Alle Erwachsenen, die nach 1970 geboren und bisher ungeimpft sind, nur einmal geimpft wurden oder mit unklarem Immunstatus
  • Beschäftigte im Gesundheitswesen und in Gemeinschaftseinrichtungen
Mumps
  • Beschäftigte im Gesundheitswesen und in Gemeinschaftseinrichtungen, die nach 1970 geboren und bisher ungeimpft sind, nur einmal geimpft wurden oder mit unklarem Immunstatus
Röteln
  • Ungeimpfte oder nur einmal geimpfte Frauen oder Frauen mit unklarem Impfstatus im gebärfähigen Alter
  • Beschäftigte in Einrichtungen der Pädiatrie, der Geburtshilfe und der Schwangerenbetreuung und in Gemeinschaftseinrichtigungen, die bisher ungeimpft sind, bzw. nur einmal geimpft wurden oder deren Immunstatus unklar ist
Pertussis
  • Personal im Gesundheitswesen sowie in Gemeinschaftseinrichtungen
  • Frauen im gebärfähigen Alter
  • Enge Kontaktpersonen im Haushalt von Säuglingen bis spätestens vier Wochen nach Geburt
  • Die Mutter in den ersten Tagen postpartal, sofern eine Impfung nicht vor der Konzeption stattfand
  • Eine Impfung während der Schwangerschaft wird in einigen Ländern empfohlen (Schweiz, USA, England, Wales)
Windpocken
  • Ungeimpfte 9- bis 17-Jährige oder Varizellenanamnese
  • Seronegative Frauen mit Kinderwunsch
  • Seronegative Patienten vor immunsuppressiver Therapie
  • Empfängliche Patienten mit schwerer Neurodermitis
  • Seronegatives Personal im Gesundheitsdienst sowie Neueinstellungen in Gemeinschaftseinrichtungen für das Vorschulalter

Kosten

Die Kostenübernahme ist in der Schutzimpfungs-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses geregelt. Aus der Schutzimpfungs-Richtlinie ist ersichtlich, welche Schutzimpfungen Pflichtleistung der gesetzlichen Krankenkassen sind. Die hier vorgestellten Impfungen werden von den Krankenkassen finanziert und sind beihilfefähig.

FAQs – Wichtige Fragen auf einen Blick

Die wichtigste Maßnahme zur Überprüfung der Immunität ist die Impfausweiskontrolle. Eine Immunität kann für Masern, Mumps, Röteln und Pertussis angenommen werden, wenn eine vollständige Impfung dokumentiert ist.

Die Immunitätslage gegenüber Varizellen ist als geklärt anzusehen, wenn das Ergebnis einer früheren Varizellen- Antikörper-Bestimmung den Nachweis spezifischer Antikörper erbracht hat, z.B. dokumentiert im Mutterpass. Dieses gilt auch für Antikörper-Bestimmung gegenüber Masern und Röteln.

Bei fehlender Dokumentation soll geimpft werden.

Bei unklarer Immunitätslage sind IgG-Antikörpermessungen möglich und sinnvoll bei Masernvirus, Rötelnvirus, Varizella-Zoster-Virus und eingeschränkt bei Bordetella pertussis und Mumps (die Messung der IgG-Antikörper gegenüber Mumpsvirus korreliert nur eingeschränkt mit der Immunität). 

Nach einer Impfung gegen Masern, Mumps, Röteln sollte ein zeitlicher Abstand von vier Wochen bis zur Konzeption eingehalten werden.

Nach einer Impfung gegen Varizellen sollte ein zeitlicher Abstand von vier bis sechs Wochen bis zur Konzeption eingehalten werden.

Nach einer Impfung gegen Pertussis ist kein zeitlicher Abstand einzuhalten.

Eine akzidentelle MMR- und/oder Varizellen-Impfung in der Schwangerschaft ist keine Indikation für einen Schwangerschaftsabbruch. Eine weitergehende Diagnostik in der Schwangerschaft oder postpartal ist nicht erforderlich. Eine Schwangerschaft stellt keine Kontraindikation für eine Pertussis-Impfung dar.  

Bei Exposition gegen Masern, Mumps, Röteln, Varizellen sollte der Impfschutz anhand des Impfausweises oder des Mutterpasses überprüft werden.

Bei fehlender Impfung oder Dokumentation soll umgehend eine IgG-Antikörperbestimmung gegen Röteln, Masern, Varizellen erfolgen.

Bei Exposition gegen Varizellen sollte der Impfschutz anhand des Impfausweises oder des Mutterpasses überprüft werden. Bei fehlender Immunität muss möglichst früh innerhalb von drei Tagen und max. bis zu 10 Tage nach Exposition Varizella-Zoster-Immunglobulin verabreicht werden.

Bei Exposition gegen Pertussis ist eine Chemoprophylaxe mit einem Makrolid-Antibiotikum zu erwägen.

Die Schwangere sollte den Kontakt zu Infizierten oder Verdachtsfällen vermeiden, bei den Familienmitgliedern soll der Impfschutz überprüft und ggf. komplettiert werden.

Bei klinischem Verdacht auf Röteln muss in der Schwangerschaft eine Labordiagnostik zur Differenzierung zwischen einer akuten Infektion bzw. einer Reinfektion erfolgen. Darüber hinaus soll die Impfanamnese erhoben werden.

Bei klinischem Verdacht auf Masern, Mumps, Pertussis und Varizellen soll in der Schwangerschaft eine Labordiagnostik erfolgen. Darüber hinaus soll die Impfanamnese erhoben werden. Der Kontakt zu Ungeschützten ist zu vermeiden.

Eine Expositionsprophylaxe durch Impfung bei ungeschützten Personen soll durchgeführt werden. Personen mit akuter Infektion oder Verdacht auf eine solche sollen keinen Kontakt zu Schwangeren haben.

Ja, eine MMR-Impfung und eine Pertussis-Impfung kann durchgeführt werden, das Stillen stellt keine Kontraindikation dar.

  • Masern: 5 Tage vor, bis 4 Tage nach Exanthembeginn
  • Mumps: 7 Tage vor, bis 9 Tage nach Erkrankungsbeginn
  • Röteln: 1 Woche vor, bis 1 Woche nach Ausbruch des Exanthems
  • Pertussis: Ende der Inkubationszeit (bis 28 Tage nach Kontakt, bis 3 Wochen nach Beginn des Hustens, verkürzt durch Antibiose auf 5 Tage nach Beginn der Therapie)
  • Windpocken: 2 Tage vor, bis 7 Tage nach Exanthembeginn