Familiäre Hypercholesterinämie

Die familiäre Hypercholesterinämie, auch FH genannt, ist eine angeborene Störung des Lipidstoffwechsels, die durch eine ausgeprägte Erhöhung des LDL-Cholesterins im Plasma von Kindheit an und frühzeitige Manifestation einer koronaren Herzkrankheit charakterisiert ist.[1] Mit einer Prävalenz von 1:300 ist die FH eine der häufigsten genetischen Erkrankungen.[2] Die Vererbung erfolgt “dominant“. Ein defektes Allel auf einem der homologen Chromosomen genügt zur Merkmalsausprägung. Das heißt: Das defekte Gen wird durchschnittlich an die Hälfte der Nachkommen weitergegeben.
Die FH geht mit rasch fortschreitender Arteriosklerose einher; bei Männern beträgt das kumulative Risiko für eine manifeste koronare Herzkrankheit 90 Prozent bis zum 60. Lebensjahr.[2] Sie führt somit im Mittel zu einem Verlust von 15 bis 21 Lebensjahren![3] Leider ist die Diagnoserate der FH in Deutschland sehr gering, sie wird auf höchstens fünf Prozent beziffert.[4] FH Patienten sind also unterdiagnostiziert und werden oftmals nicht ausreichend behandelt. Dabei haben Registerdaten aus den Niederlanden gezeigt, dass eine frühzeitige und effektive Behandlung das der FH zugeordnete kardiovaskuläre Risiko praktisch vollständig eliminieren kann.[1]

Diese Erkenntnis nahmen wir zum Anlass, in Kooperation mit der Firma Amgen GmbH die Initiative FH ALERT ins Leben zu rufen, mit dem Ziel, Patienten mit FH zuverlässig zu identifizieren.

Zum FH Score gelangen Sie unter folgendem Link: https://www.fhscore.eu

FH ALERT – Grenzwerte

Das Prinzip beruht auf alltäglichen Routineprozessen, greift für Patienten bis 60 Jahre und beinhaltet folgende Grenzwerte:

Alarmgrenzwerte bei Kindern

Überblick AlarmgrenzwerteKinder (< 18 Jahren)Wording im Ergänzungsbefund
LDL-C Grenzwert 1> 140 mg/dlDringender Verdacht
TC Grenzwert 1 (falls LDL-C nicht verfügbar)> 200 mg/dlDringender Verdacht

 

Alarmgrenzwerte bei Erwachsenen

Überblick AlarmgrenzwerteErwachsene (> 18 / < 60 Jahren*)Wording im Ergängzungsbefund
LDL-C Grenzwert 1> 190 mg/dlHinreichender Verdacht
LDL-C Grenzwert 2> 250 mg/dlDringender Verdacht
TC Grenzwert 1 (falls LDL-C nicht verfügbar)> 250 mg/dlHinreichender Verdacht
TC Grenzwert 2 (falls LDL-C nicht verfügbar)> 310 mg/dlDringender Verdacht

Wird in einer Blutprobe Ihrer Patienten Cholesterinwert über den oben genannten Grenzwerten festgestellt, erhalten Sie neben dem herkömmlichen Laborbericht einen separaten, zweiwöchentlich kumulierten Ergänzungsbefund. Dieser weist auf ein erhöhtes FH-Risiko Ihres Patienten hin und zeigt weiterführende Diagnosemöglichkeiten. Wir möchten Sie so unterstützen, Ihre Diagnostik noch effizienter zu gestalten. Ihr Vorteil: Ihre alltäglichen Arbeitsabläufe bleiben bestehen. Diese Initiative wird ab 2023 in ganz Deutschland angeboten.

 

FH Score

Bereits vor dieser Initiative haben die D•A•CH Gesellschaft Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen e. V. und die Amgen GmbH dieses Thema aufgegriffen und in Kooperation ein Online Tool zur Weiterverfolgung eines Verdachts auf FH gestaltet: den FH Score.

Die korrekte Diagnosestellung der FH ist komplex und bezieht mehrere Kriterien mit ein. Weltweit konnte man sich noch nicht auf einen gemeinsamen Kriterienkatalog einigen. Im europäischen Raum verwendet man die Dutch Lipid Clinic Network Diagnosekriterien, die Anamnese, Familienanamnese, körperliche Untersuchung und den LDL-C Wert umfassen. Der FH Score folgt der Empfehlung des Konsensus der Europäischen Atherosklerose Gesellschaft und beruht auf eben diesen Kriterien.

Das Tool führt Sie durch die Beantwortung der relevanten Fragen. Anschließend erhalten Sie die Information, ob eine FH bei Ihrem Patienten unwahrscheinlich, möglich oder wahrscheinlich ist. Zum FH Score gelangen Sie unter folgendem Link: https://www.fhscore.eu/.

Haben Sie Kinder mit erhöhten Cholesterinwerten, können Sie den FH Score nicht anwenden. Bitte weisen Sie die Eltern auf das erhöhte FH Risiko in der Familie hin und empfehlen Sie ein reverses Kaskadenscreening.

Genetische Untersuchung

Ab einem FH Score der Kategorie „wahrscheinlich“ (6 Punkte) ist die Abklärung mit einer molekulargenetischen Untersuchung sinnvoll, sie beseitigt den Zweifel und ebnet Ihren Weg zur optimalen Therapie.  Die molekulargenetische Untersuchung ist bei begründetem Verdacht Kassenleistung und belastet Ihr Laborbudget nicht. Die Genanalyse auf FH ist eine diagnostische Untersuchung nach dem Gendiagnostikgesetz. Sie bedarf der ausdrücklichen schriftlichen Zustimmung der Patientin/des Patienten und kann von jedem Arzt angefordert werden. Nach Vorliegen des Untersuchungsergebnisses SOLL dem Patienten/der Patientin nach Gendiagnostikgesetzt eine genetische Beratung angeboten werden. Genetische Beratungen dürfen ausschließlich Ärzte/Ärztinnen durchführen, die Fachärzte für Humangenetik sind und alle Ärzte, die die Qualifikation zur fachgebundenen genetischen Beratung haben.

Warum Genetik?

Der Nachweis einer funktionell relevanten Mutation sicher die Diagnose. Patienten mit Mutation haben gegenüber denen ohne Mutation bei vergleichbaren Cholesterinwerten ein vierfach erhöhtes kardiovaskuläres Risiko.[5] Deswegen kann die Genetik bei der optimalen Therapieentscheidung helfen.

 

Kaskadenscreening

FH Patienten aus einer Familie leiden an der gleichen Genmutation. Ist die Ursache der FH bei einem Patienten also einmal identifiziert, können mittels Kaskadenscreening ausgehend von betroffenen Patienten, deren erst- und zweitgradige Verwandte untersucht und nach erfolgter Diagnose einer frühzeitigen Behandlung zugeführt werden. Das spart Zeit bis zur Behandlung und die Kosten sind niedrig, weil nur nach dem in der Familie vorhandenen Gendefekt gesucht werden muss.

Unterstützung beim Kaskadenscreening wird von CaRe High angeboten. CaRe High bedeutet Cascade Screening and Registry for High Cholesterol. Es ist ein unabhängiges Modellprojekt der gemeinnützigen D•A•CH-Gesellschaft Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen e.V., das seit Mitte des Jahres 2015 auf ganz Deutschland ausgeweitet wurde und nun deutschlandweit Ärzten und Patienten zur Verfügung steht. Unter Leitung von Prof. Winfried März wird die Machbarkeit eines Kaskadenscreenings nach holländischem Vorbild auf familiäre Hypercholesterinämie evaluiert.

Mehr Informationen zu CaRe High und Kontaktdaten finden Sie unter: https://www.dach-praevention.eu/familiaere-hypercholesterinaemie/care-high-kaskadenscreening/

[1]    W. E. Klose G, Laufs U, März W, “Familiäre Hypercholesterinämie - Entwicklungen in Diagnostik und Behandlung,” Dtsch Arztebl, vol. 111, no. 523–9, pp. 31–32, 2014.
[2]    N. Schmidt et al., “Familial hypercholesterolemia in primary care in Germany. Diabetes and cardiovascular risk evaluation: Targets and Essential Data for Commitment of Treatment (DETECT) study,” Atherosclerosis, vol. 266, no. 24–30, 2017.
[3]    L. Mundal et al., “Mortality among patients with familial hypercholesterolemia: A registry-based study in norway, 1992-2010,” J. Am. Heart Assoc., 2014.
[4]    B. G. Nordestgaard et al., “Familial hypercholesterolaemia is underdiagnosed and undertreated in the general population: Guidance for clinicians to prevent coronary heart disease,” Eur. Heart J., vol. 34, no. 45, 2013.
[5]    A. V. Khera et al., “Diagnostic Yield and Clinical Utility of Sequencing Familial Hypercholesterolemia Genes in Patients With Severe Hypercholesterolemia,” J. Am. Coll. Cardiol., vol. 67, no. 22, pp. 2578–2589, 2016.

 

Kontaktieren Sie uns

Fragen zum FH-Alert


Haben Sie Fragen zur familiären Hypercholesterinämie oder zum Online-Tool FH-Score?
Senden Sie uns gerne eine Nachricht oder rufen Sie uns an – unser Labor in Weiden steht Ihnen bei Ihren Fragen zur Seite.

Mo-Fr: 08.00-18.00 Uhr
Telefon +49 821 52157 50-243

E-Mail schreiben